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3.4. Formulierung von Straftatbeständen, insb. Aggression
Die USA zeigten sich angesichts der oben skizzierten politischen Situation nun deutlich skeptischer gegenüber der Möglichkeit, universelle Normen über die Kriegsführung festzuschreiben, die allgemein Akzeptanz finden würden und mittels eines Internationalen Strafgerichtshofs durchgesetzt werden könnten.
Die ILC legte im Jahr 1950 einen ersten Entwurf eines „Strafkodex von Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit“ vor.[41] In der daraufhin einsetzenden Debatte wurden aufkommende Meinungsverschiedenheiten zwischen den verschiedenen internationalen Akteuren sichtbar. Insbesondere über die Definition des Tatbestandes der Aggression (Angriffskrieg) wurde nun heftig gestritten. Es zeigte sich, dass viele Regierungen gerade in Fragen der Kriegsführung nicht bereit waren, Souveränität abzugeben und sich einer internationalen Instanz zu unterstellen.[42] Die USA wehrten sich zu dieser Zeit gerade gegen Vorwürfe der Aggression in Nordkorea, was deutlich machte, wie gegensätzlich die Vorstellungen über den Begriff der Aggression unter den Sicherheitsrats-Mitgliedern war.[43] Die ILC schlug als Definition für Aggression vor:
„[Der] Einsatz von Streitkräften durch Autoritäten eines Staates gegen einen anderen Staat zu jedwedem Zweck mit Ausnahme der nationalen oder kollektiven Selbstverteidigung oder in Ausführung einer Entscheidung oder Empfehlung eines zuständigen Organs der Vereinten Nationen.“[44]
Die ILC legte 1954 einen ausgearbeiteten Entwurf eines Strafkodex vor, der 13 eigenständige Straftatbestände vorsah.[45] Der Tatbestand der Aggression wurde dabei ausgespart. Dieser Frage widmete sich nun ein eigener Ausschuss. Indem die entscheidenden Fragen von einander getrennt wurden, konnte die Entscheidungsfindung deutlich verzögert werden, was angesichts der politischen Situation nicht unbeabsichtigt war.[46] Nachdem der Rechtsausschuss der Vereinten Nationen trotzdem im Jahr 1957 feststellen musste, dass ein Konsens über die Definition der Aggression in absehbarer Zeit nicht erreicht werden würde, beschloss die UN-Vollversammlung, das Projekt eines völkerstrafrechtlichen Strafkodex bis zur Klärung des zentralen Tatbestandes der Aggression zu verschieben.[47]
Übersetzungen Französisch Englischkurs
[41] ILCYB 1950 II, S.374ff; UN General Assembly, Official Records: 5th Session Supplement No.12 (A/1316); abgedruckt in: Ferencz, ICC Band 2, S. 240.
[42] Bantekas/Nash/Mackarel, International Criminal Law, S.126.; Ahlbrecht, Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit, S.138; Bassiouni, The Statute of the International Criminal Court, S.15.
[43] Ausführlich: Kunz, Legality of the Security Council Resolutions of June 25 and 27, 1950, AJIL 45 (1951), S.137-142 (138), mit weiteren Nachweisen.
[44] Zitiert nach: Ferencz, Defining Aggression: Where it stands and where it’s going, AJIL, 66 (1972), S.491-508 (494). Übersetzung durch den Verfasser.
[45] Bassiouni, The Statute of the International Criminal Court, S.14
[46] Ebenda, S.15.
[47] Ahlbrecht, Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit, S.145.
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