Internationaler Strafgerichtshof

Internationaler Strafgerichtshof und die Position der USA

2. Nürnberg als Ausgangspunkt

Am 30. September und 1. Oktober 1946 verkündete das Internationale Militärtribunal (IMT) in Nürnberg die Urteile gegen 22 Hauptkriegsverbrecher des Zweiten Weltkrieges. Das Urteil von Nürnberg stellte einen Ausgangspunkt für weitere Bemühungen der Staatengemeinschaft um einen internationalen Strafgerichtshof dar. Bei der Errichtung des IMT legten zugleich insbesondere die USA ihre Haltung gegenüber dem Völkerstrafrecht und völkerstrafrechtlicher Gerichtsbarkeit in großer Klarheit dar.


2.1. Engagement der USA für eine internationale Strafgerichtsbarkeit

Sowohl in der Sowjetunion als auch in Großbritannien und den USA hatten im Vorfeld des IMT gewichtige Stimmen immer wieder verlangt, angesichts des von Deutschland ausgegangenen Vernichtungskrieges und der weltgeschichtlich beispiellosen industriellen Ermordung von Millionen von Menschen die Verantwortlichen sofort und ohne vorherigen Prozess zu exekutieren.[10] Die britische Regierung unter Winston Churchill hatte an dieser Idee bis zum Ende des Krieges festgehalten.[11]
Es ist maßgeblich auf das Engagement der USA zurückzuführen, dass es nichtsdestotrotz zu dem Hauptkriegsverbrecherprozess in der bekannten Form kam. Die USA hatten sich bereits während des Zweiten Weltkrieges in der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen stark engagiert und die Führung bei der Planung eines internationalen Gerichtshofes übernommen.[12]
Die US-Regierung unter Präsident Harry Truman vertrat die Position, dass die Alliierten sich wahrscheinlich darauf einigen könnten, die notorischsten Naziverbrecher ohne Prozess zu Tode zu bringen, dass ein solches Vorgehen jedoch „die Grundsätze der Gerechtigkeit, welche die freiheitsliebenden Vereinten Nationen akzeptieren“, verletzten würde.[13] „Wenn das Bestrafen zu einem Fortschritt führen soll, muss es in einer Weise ausgeführt werden, die in der Meinung der Weltöffentlichkeit fortschrittlich ist und mit der fundamental moralischen Sache der Alliierten im Einklang steht. Eine rein politische Beseitigung der Anführer der Achsenmächte ohne einen Prozess würde, wie auch immer man sie maskierte, bald als Übernahme der Methoden der Achsenmächte aufgefasst werden.“[14]
Die Vorstellungen der US-Regierung von einem einzurichtenden internationalen Militärtribunal, welche bereits vor Kriegsende recht genau dargelegt waren,[15] konnten sich bei der Errichtung der Internationalen Militärtribunale in Nürnberg und Tokio weitgehend durchsetzen.[16]
Das formulierte Ziel der USA, dass einerseits Kriegsverbrecher zur Verantwortung zu ziehen seien, andererseits aber über „Schuld und Bestrafung“ nur „durch ein justizförmiges Verfahren und nicht durch ein politische Maßnahme“ zu entscheiden sei,[17] reichte in seiner Tragweite prinzipiell über die Tribunale von Nürnberg und Tokio hinaus. Mit dem IMT-Statut seien Prinzipien geschaffen worden, so die damalige amerikanische Haltung, die „Hand in Hand mit der Organisation der Vereinten Nationen die beiden Grundpfeiler einer internationalen Gesellschaft bilden, die nach Recht und Gesetz geordnet ist.“[18] Das IMT sollte nach amerikanischer Auffassung als „erster Schritt“ verstanden werden und eine Entwicklung hin zu einer weltweiten strafrechtlichen Ahndung von Makroverbrechen einleiten.[19]


2.2. Haltung der UN-Vollversammlung

Drei Wochen nachdem in Nürnberg das Urteil im Hauptkriegsverbrecherprozess gesprochen wurde, befasste sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit dem Urteil und dem zugrunde liegenden IMT-Statut. US-Präsident Truman hatte hierzu angeregt.[20]
Die Vollversammlung bekräftigte ausdrücklich – wenn auch pauschal und ohne normative Bedeutung - die Rechtsprinzipien, die in Nürnberg zur Anwendung gekommen waren, als so genannte Nürnberger Prinzipien.[21]

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[11] Overy, The Nuremberg Trials: International Law in the Making, in: Sands, From Nuremberg to The Hague, S.1-29 (4).

[12] Ahlbrecht, Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit, S. 63.

[13] Memorandum of Proposals for the Prosecution and Punishment of Certain War Criminals and Other Offenders (vorgestellt in San Francisco am 30. April 1945), abgedruckt in: Bradley F. Smith, The American Road to Nuremberg, S. 162ff., teilweise abgedruckt in: Bassiouni, Crimes Against Humanity in International Law, S.13ff. Übersetzung durch den Verfasser.

[14] Ebenda.

[15] Memorandum of Proposals for the Prosecution and Punishment of Certain War Criminals and Other Offenders (vorgestellt in San Francisco am 30. April 1945), abgedruckt in: Bradley F. Smith, The American Road to Nuremberg, S. 162ff., teilweise abgedruckt in: Bassiouni, Crimes Against Humanity in International Law, S.13ff. Übersetzung durch den Verfasser.

[16] Bassiouni, Crimes Against Humanity in International Law, S. 4.

[17] Memorandum of Proposals for the Prosecution and Punishment of Certain War Criminals and Other Offenders, a.a.O. (Fn.16). Übersetzung durch den Verfasser.

[18] Taylor, Die Nürnberger Prozesse. Hintergründe, Analysen und Erkenntnisse aus heutiger Sicht, S.60.

[19] Ebenda. Übersetzung durch den Verfasser.

[20] Pella, Towards an International Criminal Court, AJIL 44 (1950), S.37-68 (67).

[21] Res. 1/95, UN General Assembly, Official Records (Part II) S. 188, UN Doc. A/64/Add.1 (11. Dezember 1946).
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